Die Utopie leben! Ein Interview mit dem living utopia Team

Living Utopia

Theoretische Ideen, eine zukunftsfähige Welt zu schaffen, praktisch umsetzen. Die Ansätze von living utopia sind vielschichtig! Wir konnten Tobi und Pia, Initiatoren des Projekts, für ein Interview gewinnen und mehr erfahren.

Living utopia – eine gelebte Utopie, das ist eine sehr schöne Vorstellung! Kannst du uns sagen um was es bei diesem Projekt geht? Eine Utopie kann ja für jedermann anders aussehen – Was ist die gelebte Utopie für euch?

Unsere Utopie ist eine solidarische Gesellschaft, in der Geld keine Rolle spielt – Wir sind uns bewusst, dass wir unsere Utopie in unserem Leben wohl nicht erreichen werden, aber genau deshalb ist es ja eine Utopie: Wir möchten uns auf den Weg dorthin machen, einen Prozess anregen und einladen, mitzukommen. Denn, die Utopie, „sie ist am Horizont“, sagt Fernando Birri. “Ich mache zwei Schritte auf sie zu, sie entfernt sich zwei Schritte. Ich gehe zehn Schritte, und sie entfernt sich zehn weitere Schritte. Und wenn ich noch so weit gehe, ich werde sie nie erreichen. Wozu ist sie also da, die Utopie? Dazu: damit wir gehen.”

Wer steht hinter dem Projekt und was hat euch dazu inspiriert?

Living utopia ist die Idee von jungen, visionären und motivierten Utopist_innen, welche aus verschiedenen Bereichen einen ganzheitlichen Diskurs – auf theoretischer, aber vor allem auch praktischer Ebene – anregen möchten. Wir möchten vor allem durch unsere Projekte Impulse zum Nachdenken und Nachfühlen geben und dabei einen Raum schaffen neue Wege zu gehen und in welchem Geld nicht einteilt in Besitzende und Besitzlose, sondern das Miteinander in unbedingter Solidarität gestaltet wird. Deswegen leben und organisieren wir unsere lebendigen Projekte nach den begleitenden Motiven – geldfrei, ökologisch, vegan, pazifistisch und solidarisch, um auf ganzheitlicher Ebene die Möglichkeit der Reflexion des Gewohnten zu schaffen.

In einer Gesellschaft, in die Mehrheit der Menschen vollkommen über ihre Verhältnisse und die Grenzen der Erde leben, inspiriert es uns sehr eine Alternative zu schaffen, um zu zeigen, dass es auch anders in einem solidarischen Miteinander in Kooperation statt Konkurrenz wunderbar gehen könnte.

Tobi und Pia, die das Netzwerk ins Leben gerufen haben

 

Eure Schwerpunkte oder Begleitmotive sind Ökologie, Veganismus, Geldfreiheit, Pazifismus und Solidarität. Das sind ja jeder für sich genommen schon sehr weite Bereiche, wie man an verschienenen Initiativen sieht, die sich nur zu einem der Punkte einbringen. Wie bringt ihr das unter einen Hut?

Unbedingt sind das weite Bereiche, aber wir versuchen diese ganzheitlich in unseren Projekten und im Alltag zu leben. Wir möchten alles so gestalten, dass unser ökologischer Fußabdruck im Schnitt unter einer Erde bleibt. Denn nur das ist wirklich zukunftsfähig und fair gegenüber allen Menschen und anderen Lebewesen, die auch hier auf der Erde leben möchten. Das bekommen wir damit hin, dass wir auf Teilen statt Besitzen setzen. Wir möchten keine Nachfrage für Dinge generieren, die sowieso im Überfluss vorhanden sind – nach dem Motto: Ich brauche nur das Loch in der Wand, nicht die Bohrmaschine. Das reduziert den ökologischen Fußabdruck ungemein, weil wir Allgemeingüter gemeinsam nutzen. Zu Ende gedacht, bedeutet dies eine unglaubliche Reduktion der Herstellung dieser Gemeingüter. Dies hat zur Folge, dass weniger Energie, Ressourcen und Raum gebraucht werden. Und außerdem wird mit einem offenen und kollektiven Teilen, statt des eingrenzenden und individuellen Besitzen das soziale Miteinander und damit die Gemeinschaft gestärkt. Darin versteckt ist also schon der Aspekt der Solidarität. Wir als Mensch und damit soziales Gemeinwesen dürfen erkennen, dass wir voneinander abhängig sind und nur in Kooperation anstatt in Konkurrenz langfristig leben können.

Der nächste Punkt Veganismus hat auch einen positiven Effekt auf die ökologische Bilanz, was aber nicht das Ausschlaggebende für uns ist. Vielmehr gestalten wir unser Handeln und die Projekte vegan, da wir nicht unnötig Leid verursachen möchten. Es geht uns im Grunde darum, so wenig Leid wie möglich zu verursachen und Alternativen zu leben. Dahinter steckt auch was wir mit dem Bereich „Pazifismus“ meinen. Außerdem möchten wir zeigen, dass Veganismus weniger Verzicht, sondern vielmehr Lebensfreude und Genuss bedeutet. Alle Bereiche durchziehend steht die Geldfreiheit im Hintergrund. Alle unsere Aktionen sind geldfrei gestaltet.

Demnach nehme ich stark an, dass ihr kein auf Gewinne ausgerichtetes Geschäftsmodell im herkömmlichen Sinne verfolgt. Wie finanziert ihr euch, die Workshops oder ganz nützliche Dinge wie eure Webseite? Wie setzt ihr das Konzept in eurer Organisation um?

Wir finanzieren uns überhaupt nicht, da bei uns schlichtweg gar kein Geld fließt. Wir selbst leben auch geldfrei, sodass wir vollkommen unabhängig unsere Workshops und Projekte allen Menschen zur Verfügung stellen bzw. schenken können. Das bringt sehr viel Freude und ganz viele Perspektivenwechsel.

Alles, was wir benutzen, sind entweder Dinge, die andere Menschen aussortiert haben, keinen wirtschaftlichen Wert mehr besitzen (wie Reis, der das MHD überschritten hat) oder solche, von denen Menschen Freude daran haben, sie zu verschenken. Die wunderschöne Website, die ihr ansprecht hat uns beispielsweise der liebe Raphi, ein ehrenamtlicher, super begabter Programmierer geschenkt, welcher auch die Website Lebensmittelretten.de für Foodsharing programmiert.

Was sind die größten Herausforderungen für euch derzeit?

Die größte und zugleich schönste Herausforderung ist zur Zeit wohl unser Mitmachkongress „utopival“. Unser gesamtes Orga-Team hat zuvor noch nie etwas vergleichbares organisiert und deshalb starten wir gerade gespannt und voller Freude die Planung.

utopivalbanner

Das utopival im September ist bestimmt eine tolle Möglichkeit, um euch kennenzulernen und living utopia zu erfahren. Kannst du uns dazu mehr erzählen?

Wir werden für fünf Tage im September vom 08. – 12.09.2014 einen Mitmachraum schaffen, um neue Ideen zu leben. Mit 100 Menschen möchten wir uns mit der Leitfrage „Wie stellen wir uns eine Gesellschaft von morgen vor?“ beschäftigen. Unsere begleitenden Motive dabei sind: vegan, geldfrei, ökologisch.

Während des Mitmachkongresses wird es jeden Tag zwei Workshopphasen, geimsames Kochen, eine Abendveranstaltung (wie Podiumsdiskussion, offene Bühne, … ) und viel zu entdecken und erleben geben. In den Workshops tauschen wir uns zu den Themen “Wirtschaft von morgen”, “Bildung von morgen“, “Ernährung” und „soziales Miteinander“ aus. Außerdem wird es praktische Entfaltungsmöglichkeiten geben, wie beim seed bombs-, oder Solarofen bauen.
Drumherum werden wir gemeinsam viele spannende Dinge erschaffen: ein DIY-Zelt, einen Jonglage-point, Kleider- und Dingeschenken, leckerstes gerettetes und veganes Essen, Musik und vieles mehr!
Diese Tage sind eine Möglichkeit mal außerhalb der Box zu fühlen, zu denken und zu leben: das utopival lädt zum träumen ein und dazu die Idee hinter living utopia zu erfahren.

Ein anderes konkretes Projekt von euch ist ein Aktions- und Projektzentrum – wie ich das verstehe also eine physisch verortete Stätte des Teilens. Was habt ihr da vor, für wen ist es und wo steht das Projekt derzeit?

Bisher gibt es dieses Zentrum noch nicht, aber wir sind auf der Suche nach diesem Ort für unser Projekt- und Aktionsnetzwerk living utopia, um weitere Projekte, Seminare und Workshops nach unseren begleitenden Motiven (geldfrei, vegan, ökologisch, pazifistisch, solidarisch) verwirklichen zu können.

Für die Zukunft stellen wir uns vor, eine geldfreie Schenkgemeinschaft zu verwirklichen, um damit ein praktisch gelebtes Beispiel unserer Lebensphilosophie schon jetzt umzusetzen. Hier dürfen alle Menschen ihren Talenten – frei von Geld – nachgehen und sie der Gemeinschaft schenken. Außerdem wird es ein freies Bildungszentrum sein, zur eigenen Weiterbildung, Projektentwicklung und zur Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Wir möchten vor allem herausfinden, wie sich Menschen entwickeln und entfalten, wenn sie vollkommen bedingungslos angenommen sind und einfach sein und sich entfalten dürfen. Wir sind davon überzeugt, dass die kindliche Kreativität, die mit der heutigen Bildungspolitik wahrscheinlich bei vielen Kindern verloren geht, noch immer in uns allen steckt und sie wieder geweckt werden kann. So kann die Motivation in Bewegung zu bleiben, nicht das Geld sein, sondern die Tätigkeit an sich. Um unsere Zukunftsvision verwirklichen zu können, fehlt uns nur noch der Ort!


Wenn ich nun auch ein Utopist in eurem Sinne werden und mich bei euch einbringen möchte, wie und wo mach ich das am Besten?

Jede_r von uns hat Talente, die er oder sie einfach in die Gemeinschaft schenken kann. So auch bei uns. Wir freuen uns immer sehr über engagierte und motivierte Menschen, die unsere Idee unterstützen möchten. Das kann auf vielfältige Weise geschehen: sei es bei der Organisation oder Umsetzung unserer Projekte oder auch im Hintergrund bei der Gestaltung unserer Website oder anderer kreativer Aufgaben. Wer sich angesprochen fühlt, kann uns jederzeit schreiben.

Eine letzte, relevante Frage dazu: Muss ich denn geldfrei leben, um bei euch mitzumachen?

Es ist keinstensfalls notwendig geldfrei zu werden/sein, um bei uns mitzuwirken : )

Vielen Dank dir Tobi für deine Zeit und die Antworten! Ich wünsche euch ganz viel Erfolg, besonders bei der Vorbereitung zum utopival!

Eine Antwort to “Die Utopie leben! Ein Interview mit dem living utopia Team”

  1. tobi

    herzlichsten dank liebes kokonsum team für dieses wunderbare interview. es brachte uns viel freude mit euch zusammenzuwirken :)

    ganz wichtig: die 100 zur verfügung stehenden plätze beim utopival sind schon zur hälfte gefüllt. wer beim mitmachkongress noch mit dabei sein möchte, ist herzlichst eingeladen sich anzumelden unter:
    http://www.utopival.org/anmeldung.html

    wir freuen uns auf euch 😉

    sonnigste herzensgrüße und noch einen wundervollen tag,
    tobi
    für das aktions- und projektnetzwerk living utopia

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