Bahn, Bus und Flugzeug, die klassischen öffentlichen Personenverkehrsmittel sind im Grunde schon eine Form des kollaborativen Konsums (Kokonsum). Man verabredet Ort und Zeit bzw. macht diese Informationen publik und befördert eine bestimmte Menge Menschen von A nach B. Allerdings sind hier private Unternehmen mit gewinnorientierten Zielen auf der Anbieterseite. Share Economy, Kokonsum etc. impliziert aber meistens einen Austausch zwischen Privatpersonen, weniger fest an die üblichen Marktparadigmen gebunden.
Der Begriff ist eng mit dem Internet und dessen neuen Möglichkeiten zur Wissens- und Informationsverteilung, sowie den dadurch veränderten Kommunikationsbedingungen, verbunden. Gerade weil dadurch ein klassischer Zwischenhändler obsolet wird. Es macht Sinn zwischen Kokonsum-Modellen mit Beteiligung von Unternehmen und solchen ohne diese, zu unterteilen. Die Idee des Kokonsums schließt allerdings das Mitwirken gewinnorientierter Unternehmen nicht aus. Schließlich sind hier im Zeitalter des Internets die Übergänge fließend.
Eine Internetseite die einen Service anbietet von dem die Nutzer profitieren, der die Nutzer zusammenbringt und den Austauschermöglicht, darf wohl legitimerweise auch ein gewisses Maß an Werbung schalten, um das eigene Fortbestehen zu sichern, wenn die eigentlich Verkupplungsleistung schon unentgeltlich geschieht.
Das Internet erlaubt es uns auf P2P Basis, Wissen und Informationen zu teilen (prominentestes Beispiel ist Wikipedia). Aber in den letzten Jahren sind auch vielversprechende Projekte aufgetaucht, um zentrale Felder der Gesellschaft mit Hilfe einer Onlineplattform zu verändern. Dabei wird entweder ein Prozess in das Netz verlegt, der zuvor offline ablief, oder das Internet wird als Kommunikations- und Informationsplatz benutzt um Offline-Handlungen zu koordinieren. Dabei sind die Entwicklungen dessen, was irgendwie unter WEB 2.0 subsumiert wird, von zentraler Bedeutung. Couchsurfing beispielsweise funktioniert nicht zuletzt nur so gut, weil es ein Ratingsystem gibt, weil es die “Vouch”-Option samt Visualisierung gibt, weil die Technologie da ist, um umfangreiche Nutzerkonten- und historien anzulegen, die eine stabile Onlineidentität erst erlauben.
Im interregionalen Mobilitätsbereich hat das Internet zuvorderst die Carpooling/Carsharing Webseiten hervorgebracht. Inwiefern Mitfahrgelegenheit.de mit Einführung der Provision noch ein P2P Modell darstellt ist eine andere Frage, aber der P2P Charakter war zumindest zu Beginn der Seite deutlich zu sehen. Anfangs wurden dort Mitfahrer noch gegen einen Obulus mitgenommen, dann wurde versucht die Spritkosten zu decken, bevor schließlich auch Verschleiß und Versicherung, sprich die kompletten Kosten der Fahrzeughaltung und -nutzung an Mitfahrer weitergeleitet wurden. Für mich scheinen beide Seiten verständlich. Jedoch ist mein Gefühl, dass das marktwirtschaftliche Denken zwischen Fahrern und Mitfahrern zur Regel geworden ist. Man hört von Menschen die Hauptberuflich mit einem VW Transporter auf Mitfahrgelegenheit inserieren und fahren.
Manchmal trifft man sehr nette Menschen bei Mitfahrgelegenheit, manchmal trifft man aber auch Fahrer die nicht reden, die nichts wissen wollen und die einfach nur ihren Job machen. Ebenso gibt es Mitfahrer die sich ins Auto setzen und ohne ein Wort zu sagen einschlafen, bevor sie beim Aussteigen den verabredeten Betrag an den Fahrer abdrücken. Inwiefern ist also ein Kokonsum-Modell möglich, wenn Realwährung mit im Spiel ist, die letztlich doch wieder zu einem “Denken unter Marktbedingungen” animiert?
Beim Trampen wird kein Geld ausgetauscht, sondern es handelt sich um das Erbringen eines Gefallens. Das Besondere daran ist, einem völlig Fremden nicht nur einen Gefallen zu tun, sondern ihm auch noch zu vertrauen. Beim Trampen wird man zu 90% Prozent von Menschen mitgenommen die interessiert sind. Tramper mitzunehmen ist für viele keine alltägliche Angelegenheit; der Moment in dem ein Fremder das eigene Auto besteigt, hat etwas Intimes, zumal wenn man sich in Deutschland aufhält. Durch die Situation im Auto hat man meistens Zeit für ausführliche Gespräche mit Menschen, die vielleicht ein ganz anderes Weltbild haben als die übliche Umwelt in der sich Fahrer/Tramper aufhalten. Schließlich ist da noch der Reiz des Unbekannten und des Abenteuers beim Trampen.
Um eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren brauche ich durchschnittlich 15 Minuten: an den Computer gehen, recherchieren, vergleichen, anrufen, bestätigen, Weg zum Treffpunkt bestimmen und nachschauen. Beim Trampen kann man nicht wirklich verlässliche Durchschnittszeiten angeben. Manchmal braucht man 15 Minuten zur Auffahrt und wird sofort mitgenommen, manchmal dauert es aber schon eine Stunde, um an einen geeigneten Ort zu gelangen, wo man widerum 1 1/2 Stunden warten muss bevor man mitgenommen wird. Bei instabiler Wetterlage oder eisiger Kälte zu Trampen ist nur etwas für Liebhaber. Ich bevorzuge dann meistens ein anderes Transportmittel.
Schließlich bleibt noch die Frage nach der Sicherheit. Bei Mitfahrgelegenheit hinterlassen die Fahrer persönliche Daten und es gibt eine Bewertungsfunktion, um ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Beim Trampen gibt es das nicht. Man vertraut auf Menschenkenntnis und darauf, dass die Welt nicht so schlimm ist wie man es von seiner (medialen) Umwelt erzählt bekommt.
Obwohl ich mit einiger Erfahrung beim Trampen noch keine einzige unangenehme Situation hatte, kann man generell nicht behaupten, es gäbe eine besondere Sicherheit – aber vielleicht sollte man eher sagen es gibt keine besondere Unsicherheit. Ich habe mich schon oft gefragt wann genau die Meinung aufkam, Trampen sei besonders gefährlich. Früher gab es viel mehr Tramper in Deutschland, trampen war alltäglich… und dann plötzlich schaut mich meine Mutter mit panischen Augen an, wenn ich ihr sage, dass ich trampen gehe.
Aber davon abgesehen, hält das Internet noch einiges an Potenzial bereit, um das Trampen einfacher, sicherer und angenehmer für alle zu machen. Ein Projekt, dass bereits sehr hilfreich ist, heißt Hitchwiki.org. Unter “Maps” findet man eine Karte mit farbcodierten Punkten, die darüber Auskunft geben, wie leicht man von bestimmten Punkten wegtrampen kann und weiterführende Informationen zu den Plätzen geben. Mit Smartphone, Bluetooth, Internet usw. könnte man auch ein System einführen, das mit hoher Zuverlässigkeit die Identität von Trampern erfasst. Sowohl Fahrer als auch Tramper würden hierfür die Fahrt, mit Kennzeichen beispielsweise, online eintragen, um für beide Seiten Sicherheit zu gewährleisten.
Außerdem sollte es in größeren Städten definitiv Sammelpunkte für Tramper geben, damit man direkt weiß, weshalb die Leute dort stehen. Dies würde es für Tramper sehr viel einfacher machen, einen geeigneten Ort zum Trampen zu finden und für Leute, die Lust haben Tramper mitzunehmen, wäre es ebenfalls hilfreich. Dort könnte man auch ähnlich einer Bushaltestelle ein kleines Häuschen hinstellen, um das Problem mit der instabilen Wetterlage zu lösen. In Kuba gibt es sowas schon und Autos im öffentlichen Dienst sind verpflichtet Tramper mitzunehmen wenn sie Platz haben.
Ich denke darüber nach, ob Reviews wie auf Couchsurfing oder Mitfahrgelegenheiten, nicht auch eine Art Komplementärwährung darstellen. Wie würde das Trampen 2.0 aussehen und ändert man dadurch die Tramperfahrung zum positiven?
Über den Autor: Niklas hat Medienwissenschaften studiert und arbeitet jetzt bei GoEuro, einer Reisesuchmaschine, die Bus-, Bahn- und Flugverbindungen auf einen Klick miteinander vergleicht. Um von A nach B zu kommen, wird auch mal die Hand hochgehalten. Im September ging es so innerhalb von 48 Stunden von Frankfurt nach Marokko.
anonym1
zweiter versuch.
endlich mal jemand der fast dieselbe idee verfolgt wie ich….
also ich bin in meinem leben fast nie getrampt. genau das was du beschreibst ist meine ich einer der punkte: jemandem wildfremden vertrauen. nicht so einfach.
ich wähle z.B. partei a der andere b, und der ist radikal drauf oder sonst irgendwelche unangenehmen begegnungen…..
meine motivation dabei ist a) umweltschonung durch CO2 und Ressourceneinsparung und b) das ganze auch als geschäftsidee.
über die identifikation habe ich mir auch gedanken gemacht: da könnte es landesweit “zertifizierte” Stellen geben bei denen man sich anmelden kann.
oder man nimmt das postident-verfahren.
sammelplätze ja, aber nicht unbedingt.
man findet sich über smartphones mit GPS oder bestimmten festen Punkten.
ich betrachte das so: viele haben heute flexible arbeitszeiten, feste fahrgemeinschaften zu bilden wird dadurch erschwert. das moderne trampen wäre also eine höchst flexible fahrgemeinschaft für pendler. es fahren doch immer so viele autos die selbe strecke(nabschnitte) die ich auch fahre. es ist einfach ein jammer, dass man die nicht zusammenbringen kann.
ich würde es in kauf nehmen, 2 oder 3 mal KURZ umzusteigen um nach hause zu kommen und dann auch ein stück zu fuss bis nach hause gehen.
warum wird das in D nicht praktiziert?
ich meine: uns geht es zu gut. die fahrkosten schmerzen uns so wenig, dass es uns das (noch?) nicht wert ist, unsere freiheit und selbstbestimmung aufzugeben. damit meine ich z.B.: nehme ich diese person mit und unterhalte ich mit ihr oder habe ich darauf jetzt gar keine lust….
In armen ländern ist das völlig normal. viele haben gar kein auto und müssen irgendwie von a nach b kommen. deshalb gibt es viele kleinbussfahrer die davon leben.
ich finde es auch völlig ok, dass man dafür bezahlt. was soll denn das: es muss immer alles kostenlos sein. ist es doch gar nicht. jemand bezahlt oder du bezahlst mit deinen daten. es kann nicht immer alles kostenlos sein. Pendler, also Dauertramper können doch nicht ständig nur auf Pump mitfahren. Eine einmalige Reise ist da wieder etwas anderes.
Wie bezahlt wird… na-ja: in Tramp-Kilometern die man durch selbstfahren erwerben kann, oder über eine zentrale monatliche abrechnungszentrale oder mit kleingeld (Euros).
Der andere Grund ist vermutlich, dass viele Deutsche ihre immer grösser und fetter werdenden SUVs, BMWs, AUDIs und sonstigen panzerähnlichen fahrzeuge “ausfahren” und vorzeigen möchten, als sich in irgendein anderes Auto zu setzen, dessen marke vielleicht “unter” ihren vorstellungen “fährt”.
das sieht man doch an der fahrzeuggrösse und am verbrauch. der ganze trend müsste zu kleine flitzern gehen, wie dem Twizzy, aber das gegenteil ist der fall. her mit dem hammer ist doch die devise der meisten deutschen und auf die umwelt ist geschissen. das ist meine sicht der entwicklungen.
und die heranwachsende generation wird nicht besser. viele sind nur damit beschäftigt sich mit neuen klamotten und smartphones zu überbieten. da kann nichts brauchbares draus werden.
Deutschland ist nicht so weit – genauso sieht es leider aus!
Es viel zu wenige, die denken wie wir und bis es soweit ist, wird der trend vielleicht doch zum einsitzigen kleinpanzer gehen, der dann eben auch weniger sprit verbraucht. also reinster individualverkehr wie heute auch.
andere möglichkeiten wäre mehr fahrgemeinschaften, tramper, elektrobikes, kleinbusslinien (die berufs-mitnehmer). wenn der sprit alle ist, wird sich in jedem fall was geändert haben…..
warten wir es ab (oder nicht?).
fG