What’s mine is yours! titelt Rachel Botsman Ihr Buch über die Sharing Economy. Gleich zu Beginn beschreibt sie darin bildhaft die Entstehung und Konsequenzen der Wegwerfgesellschaft.
Die ersten Wegwerfprodukte hatten tatsächlich einen Sinn und einen positiven Effekt auf die Gesellschaft. Früher wurden Becher in Krankenhäusern gewaschen und dem nächsten Patienten gegeben. Die Ansteckungsrate war extrem hoch. Anfang des letzten Jahrhunderts brachte der Wechsel zum Einmal-Pappbecher eine drastische Reduktion der Infektionsraten in den Gesundheitseinrichtungen mit sich. Schritt für Schritt kamen weitere sinnvolle Produkte hinzu und fanden ihren Weg in die Konsumwelt. Denn ist es nicht praktisch, den Becher, den Teller, die Serviette, das Besteck und die Tischdecke einfach wegwerfen zu können. Und hey, dabei sparen wir noch Wasser, weil wir nicht abwaschen brauchen…
Apropos Wasser, dort schwimmt ein nicht unbeträchtlicher Teil der von uns produzierten und verbrauchten Convenience-Produkte. Wer noch nicht vom Great Pacific Garbage Patch gehört hat, sollte sich davon ein Bild machen. Es lohnt sich. Vor allem um sich selbst wachzurütteln und beim nächsten Coffe to go mal zu fragen: Was habe ich da eigentlich gerade gemacht? Ist das mein Beitrag für unsere Zukunft?
Na, schon ein schlechtes Gewissen? Natürlich ist mir klar, dass der geneigte Leser auf dieser Plattform sich diese Gedanken alle schon gemacht hat und vielleicht ein bisschen anders tickt als leider viel zu viele, die im Wegwerf-Kult aufgehen und sich geradezu verwirklichen.
Deshalb möchte ich nochmal zum Anfang der Geschichte zurückkommen und kritisch beleuchten, wo auch der Kokonsum an seine Grenzen stößt. Und – wer hätte das gedacht – wir sind wieder im Krankenhaus. Jetzt betrachten wir einmal das Beispiel der Kanüle (Nadel) zur Injektion eines Arzneimittels oder zur Blutentnahme. Das hat fast jeder schon erlebt. Sicher nur die älteren Leser haben jedoch erlebt, dass die Kanüle mit der sie gestochen wurden schon bei einem (oder mehreren) anderen Patienten vorher eingesetzt wurde. Erneut im Sinne der Gesundheit und der Verringerung der übertragenen Infektionen werden in den meisten Ländern dieser Welt heute keine Kanülen mehr mehrfach verwendet. Ausgenommen vielleicht das Needlesharing unter Drogenabhängigen; aber selbst das wird immer seltener.
An dieser Stelle wird jeder damit einverstanden sein, dem KoKonsum eine Grenze zu setzten und zu sagen: OK, es kommt nun wirklich darauf an, was geteilt werden soll. Ich möchte wirklich jeden dazu ermutigen, sich zu überlegen, was man vielleicht nochmal verwenden oder gemeinschaftlich nutzen kann. Die Grundidee des Kokonsum wird uns nachhaltig positiv beeinflussen. Das ist keine Frage. Dennoch müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es an der ein- oder anderen Stelle Grenzen gibt.
Desto seltsamer wirkt der aktuelle Vorstoß des EU-Parlamentes – übrigens vorangetrieben durch eine Deutsche – dass möchte, dass alle Medizinprodukte (und dazu gehören neben Kanülen auch Skalpelle, Herzschrittmacher und Implantate) grundsätzlich als wiederaufbereitbar gelten sollen. Man kann sich berechtigter Weise fragen, ob es da nicht jemand zu gut mit dem Teilen meint. Bleibt an dieser Stelle nur zu hoffen, dass die Politikmacher und Gesetzgeber aus dem Sommer-Koma erwachen und ihre Energie in smarte Ansätze stecken, die den Kokonsum an den richtigen Stellen ermöglichen und unterstützen, anstatt ihn an falschen Stellen zu forcieren.
Bildquelle: http://www.flickr.com/photos/macblack/3950258853/ (Stefan Schwarz)