D.R.E.A.M.S – das Rezept für Vertrauen im Netz

Vertrauen im Netz

Wie wäre es, wenn sich das Geheimnis des Vertrauens im Netz in sechs einfachen Punkten zusammenfassen ließe? Frédéric Mazzella und Nicolas Brusson, die Gründer des Portals für Mitfahrgelegenheiten BlaBlaCar, entwickelten hierfür das sogenannte D.R.E.A.M.S.-Modell (Träume), das sie erstmalig bei der jüngsten LeWeb-Internetkonferenz in London präsentierten.

Die Konferenz proklamierte die These der sogenannten Digital Hippies: Einer neuen Generation an Web-Usern, die die Möglichkeiten des Netzes nutzt,  um bewusst gesellschaftsrelevante Veränderungen herbeizuführen. Dieses Thema aufgreifend boten Mazzella und Brusson einen Einblick in den für diese Geisteshaltung fundamentalen Aspekt des Vertrauens.

Basis für D.R.E.A.M.S ist die Ende 2012 von BlaBlaCar veröffentlichte „Trustman Study“, eine Studie basierend auf Umfragen und Analysen über Online-Nutzerverhalten. Die Mitfahrzentrale hatte hier untersucht, welche Aspekte dazu führen mit einer faktisch völlig fremden Person ein Vertrauensverhältnis einzugehen und letztendlich ein Geschäft abzuschließen. Darauf basierend präsentierte das Gründerteam das neue „D.R.E.A.M.S.“-Modell.

D.R.E.A.M.S. ist ein Modell, das auf sechs Säulen des Vertrauens in einem Peer-to-Peer-Netzwerk basiert. Es besagt, dass die Voraussetzung für eine vertrauensvolle zwischenmenschliche Handlung unter Mitgliedern des Peer-to-Peer-Netzwerks in einer Bereitstellung von Informationen liegt, die unter folgenden englischen Schlagworten zusammengefasst werden: „Declared“, „Rated“, „Engaged“, „Active“, „Moderated“ und „Social“. Und so funktioniert‘s:

D wie „Declared“

Deutsch: bekanntgeben. Die User geben ihre Basisdaten ein. Name, Foto und abhängig vom Angebot eine kurze Biographie mit Vorlieben (ob man raucht, gesprächig ist, Hunde toleriert, welche Musik man gern hört etc.)

R wie „Rated“

Deutsch: bewertet. Die Mitglieder haben die Möglichkeit, andere Mitglieder zu bewerten. Die positiven Bewertungen von Mitgliedern nach einer stattgefundenen Mitfahrgelegenheit steigern wesentlich das Vertrauen innerhalb des Netzwerkes und die Glaubwürdigkeit des angebotenen Services. Bewertungen geben Auskunft darüber, ob der User bereits Dienste in Anspruch genommen hat und weiterempfohlen wurde. Es sind Bewertungen von Menschen über Menschen, die Vertrauen zum Ausdruck bringen.

E wie „Engaged“

Deutsch: sich auf etwas einlassen. Hierbei handelt es sich um eine Verpflichtung, die beide Parteien eingehen. Beide haben die Absicht, zum gemeinsamen Ziel zu gelangen. Es bedeutet mehr als eine einfache mündliche Abmachung. Die Verpflichtung findet  vor der geplanten Fahrt statt, um eine Vertrauensbasis zu gewährleisten.

A steht für „Active“

Deutsch: aktiv. Die Aktivität eines Users kann aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden:

Aktiv bezieht sich auf die eigentliche Aktivität der User: Sind sie oft auf der Website? Beantworten sie all ihre Nachrichten? Veröffentlichen sie große Mengen an Content im Netzwerk? Die Seite sollte daher in jedem Profil das letzte Log-in-Datum und die Log-in-Uhrzeit, sowie die Anzahl der beantworteten Fragen mit Uhrzeit anzeigen. Ein aktiver User, der schnell auf Nachrichten reagiert, erreicht schneller ein hohes Maß an Vertrauen als jemand, der weniger aktiv ist.

Aktivität bezieht sich auf den „Kontext“, in dem die Information erzeugt wird: Bewertungen sind dann wertvoll und aussagekräftig, wenn sie mit einer Aktivität verknüpft sind. Ein guter Verkäufer bei eBay muss aber nicht zwangsläufig ein guter Fahrer der Mitfahrzentrale BlaBlaCar sein. Deshalb muss die Information, die im Peer-to-Peer-Netzwerk verfügbar ist im Kontext gesehen werden.

M wie „Moderated“

Deutsch: moderiert. Die Moderation des Peer-to-Peer-Netzwerks besteht aus zwei Komponenten:

1) Die Überprüfung der angegebenen Daten der User: Hier wird kontrolliert, ob der User die richtige E-Mail-Adresse und Telefonnummer, die korrekte Postanschrift, Bankverbindung etc. angegeben hat.

2) Die Überprüfung der textlichen und bildlichen Inhalte: Die für die Seite verantwortlichen Administratoren gewährleisten die gute Qualität der veröffentlichen Inhalte auf der Webseite.

Die Plattform BlaBlaCar überprüft bspw. die E-Mail-Adresse, Bankverbindung, Telefonnummer und Postadresse der User.

S wie „Social”“

Deutsch: sozial. Zu guter Letzt wird durch die Verbindung mit anderen sozialen Netzwerken das Vertrauen in die Person gesteigert. Die meisten Internetnutzer haben Profile in anderen Netzwerken angelegt und geben Details zu Ihrer Person bekannt. Die digitale Existenz eines Individuums bei Facebook, Twitter, LinkedIn etc. ist ein weiterer Beleg für dessen reale Existenz, selbst wenn er oder sie mit Pseudonymen arbeitet.

Um das neue formalisierte Modell „D.R.E.A.M.S.“ zu unterstützen, führte BlaBlaCar unter zahlreichen Usern eine Umfrage durch. Dadurch gelingt es, die Bedeutung von D.R.E.A.M.S.-Profilen und das Maß an Vertrauen zu beurteilen, das wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln in der Verbraucherplattform aufbauen können. Dafür wurde „das Maß an Vertrauen“ für mehrere Kategorien unserer Kontakte und Beziehungen auf einer Skala von 1 bis 5 (1 = gar kein Vertrauen und 5 = ein sehr hohes Maß an Vertrauen) von der Gemeinschaft bewertet. Die Umfrage ergab folgende Werte:

  • Fremde: 2,2
  • Facebook-Freunde: 3,5
  • Nachbarn: 3,6
  • Kollegen: 3,8
  • D.R.E.A.M.S.-Profil: 4,2
  • Freunde und Familienmitglieder: 4,7

Wir sehen also, dass D.R.E.A.M.S.-Profile ein hohes Maß an Vertrauen erzeugen: Die befragten User vertrauen ihnen mehr als Nachbarn, Facebook-Freunden und Kollegen – fast so viel wie Freunden und Familienmitgliedern. D.R.E.A.M.S. ist ein effektives Mittel für Unternehmer in der kollaborativen Ökonomie, eine vertrauenswürdige Gemeinschaft von Usern zu schaffen, in der Misstrauen kein Problem mehr darstellt.

Jedoch, erklärte Frederic Mazzella vor seinem Auftritt auf der Bühne bei der LeWeb Konferenz, würden sich nicht alle D.R.E.A.M.S.-Aspekte bei der Einführung eines neuen Services problemlos umsetzen lassen. Ein solch hohes Maß an Vertrauen ist aber auch nicht immer notwendig, um die ersten Interessenten für ein Konzept oder eine Dienstleistung zu gewinnen.

Außerdem würde die Anwendung aller sechs Säulen des Vertrauens ab dem ersten Tag an ein enormes Maß an Arbeit und eine technische Herausforderung bedeuten. Mazzella rät sogar, bei neuen Dienstleistungen einer gemeinschaftlichen Verbraucherplattform nicht direkt am Anfang alle sechs Säulen des Vertrauens der D.R.E.A.M.S.-Profile umzusetzen. Sie  werden nur dann unerlässlich, wenn die Dienstleistung Hauptbestandteil geworden ist und ein großes Wachstum verzeichnet wird: Ein hohes Maß an Vertrauen ist hier zwingend erforderlich.

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Dieser Artikel wurde erstmals auf Französisch auf OuiShare.net veröffentlicht.

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